Freitag, 25. Mai 2012

Aber das sieht doch nicht... - aus dem Leben einer Essästhetin

"Aber das schmeckt doch noch genau so..:" - Dies ist ein Satz, den ich schon oft gehört habe, insbesondere von Dan.

Bei ihm hab ich manchmal, aber nur manchmal das Gefühl, dass er sich über meinen kleinen Spleen, manche nennen es auch Macke oder Tick, lustig macht und sich mukiert.
Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass er es dann extra macht, nur um sich darüber zu amüsieren, dass ich unruhig werde und ein kleines "P" in die Augen bekomme.
Ich muss gestehen: Ich bin Essästhetin.

Für mich muss Essen nicht nur schmecken, nein es muss viel mehr, es muss auch noch gut aussehen und auf dem Teller vernünftig angerichtet sein.
Viele werden sich jetzt sagen: Ja, aber das Essen schmeckt doch noch genauso, wenn es nicht penibel angerichtet ist und kommt im Magen doch eh zusammen.
Ja, aber nein.
Das sieht doch nicht...
Für mich ist das ein riesiger Unterschied, ob es liebvoll auf den Teller zusammen geklatscht ist oder ob es auch für das Auge lecker angerichtet ist.
Das Auge isst ja eben doch mit - zumindest bei mir.
Und ich werde innerlich sehr unruhig, wenn ich sehe, wie jemand vor meinen Augen in meinen Augen alles auf den Teller klatscht. Da würde ich am Liebsten eingreifen, den Teller nehmen und den Löffel und alles für denjenigen ordentlich anrichten. Einfach nur zu meinem inneren Frieden.

Nehmen wir als Beispiel doch einmal einen Teller mit Braten, Kartoffeln und Gemüse:
Ich liebe es, wenn die Soße NICHT das Gemüse berührt, sondern über den Kartoffeln ist und das Fleisch halb bedeckt.

Oder auch ein aufgeschnittenes, belegtes Brötchen. Es macht mich nervös,wenn das Brötchen nicht wieder genau passig zusammen gelegt ist, nachdem es belegt worden ist. Meist drehe ich die obere Hälfte dann in einem unbeobachteten Moment wieder richtig oder tue so,als würde ich die Ampel auf dem Brötchen weiter mittig ins Brötchen schieben wollte, um es dann wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Dan macht sich immer einen Heidenspaß daraus, die Brötchenhälften einfach aufeinander zu klatschen und zu beobachten, wie ich nervös neben ihm stehe und mich innerlich zwinge, wenn nicht gar foltere, nicht einzugreifen und das Brötchen einfach so liegen zu lassen ohne dem Deckel einen krurzen Schubs oder Dreh zu verpassen, damit die Schnittlinie wieder korrekt ist. Das amüsiert ihn köstlich. Überaus.

Denn ihm ist es egal, wie das Essen aussieht.
Ihm ist es egal,wenn es nicht schön ist.
Hauptsache, es schmeckt.

Mir aber nicht.

Mir steigen Tränen in die Augen, wenn eine von mir gebackene Geburtstagstorte im ersten Moment perfekt aussieht und sich dann doch entscheidet in sich zusammen zu fallen beziehungsweise die Glasur brüchig werden zu lassen, sodass die Füllung freie Bahn hat, sich auf dem Teller ausbreiten zu können.
Dann ist es keine Geburtstagstorte mehr, dann ist es ein Drama - zumindest für mich.
Klar, alle sagen, es freut den Beschenkten, aber es freut mich halt nicht, weil es eben nicht die Torte geworden ist, wie ich sie gern gehabt hätte. Punkt. Da können die anderen reden, soviel sie wollen. ICH ärgere mich darüber und zwar richtig doll. Da kann man auf mich einreden, soviel man mag, ich bin den ganzen Tag untröstlich deswegen und würde die Torte am Liebsten in die Ecke pfeffern und noch einmal neu machen.

Es lassen sich noch ganz viele weitere Beispiele zu meinem für manche eigenartigen Essverhalten finden.

Ich bin eine Essästhetin durch und durch und manche Dinge muss ich in einer bestimmten Reihenfolge essen - da kann ich einfach nicht anders.
Auch das hat für mich etwas mit Ästhetik zu tun.
Klingt komisch, ist aber so.
Wenn viele verschieden farbige Dinge, wie Minischokolinsen, in einer Verpackung sind, wird der Inhalt fast schon automatisch sortiert und in bestimmter und fester Reihenfolge gegessen: Zuerst die braunen (wer packt schon braune Schokolinsen in eine Verpackung, die sind doch derartig überflüssig). Diese werden auch alle auf einmal gegessen. Danach sind die orangen dran (diese sind fast genauso überflüssig wie die braunen). Dann einzeln die grünen, im Anschluss die gelben, gefolgt von den blauen und den roten. Zum Abschluss werden einzeln die violetten und die pinken Schokolinsen genossen. Denn die sind am Schönsten anzusehen.

Es gibt soviel wunderbares, gutes Essen.  Hach, ich könnte ins Schwärmen geraten.
Noch viel wunderbarer ist es für meine Augen, wenn es auch noch hübsch, nett und schön angerichtet ist.
Denn man kocht nicht nur mit Liebe, man richtet auch mit eben dieser an und gibt dem Essen dadurch eine Prise mehr...

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